Wie wir in der Brutsaison 2022 berichteten, waren brütende Seevogelarten an Nord- und Ostseeküste in bis dahin unbekanntem Ausmaß von H5N1 („Vogelgrippe“) betroffen. Auch Brutkolonien in unseren Naturschutzgebieten wurden schwer getroffen: die Brandseeschwalben in Nordfriesland und die Basstölpel am Helgoländer Lummenfelsen.
Seitdem tritt die aviäre Influenza ganzjährig auf: schon im Frühjahr 2023 wurden Ausbrüche in Brutkolonien u.a. von Lachmöwen, Silbermöwen, Dreizehenmöwen und Trottellumme gemeldet, primär an der Nordseeküste, aber auch an der Ostseeküste und im Binnenland.
Mittlerweile hat sich die Vogelgrippe erschreckenderweise weltweit etabliert, so hat das Ausbruchsgeschehen die Antarktis erreicht. Inzwischen sind auch Albatrosse betroffen. Aktuelle Entwicklungen können hier tabellarisch eingesehen werden: Avian Influenza Database (scar.org)
Nach Helgoland kehrten zu Beginn der Brutzeit 2023, wie zu erwarten war, weniger Basstölpel zurück. Diese zeigten, je nach Individuum, ein oder zwei dunkle Augen und nicht die typisch hellblauen. Ob dies ein Hinweis auf eine Immunität sein könnte, ist bisher noch unklar.
Die vier weiteren Hochseevogelarten Trottellummen, Dreizehenmöwen, Tordalk und Eissturmvogel besetzten ebenfalls wieder ihre Brutplätze. Im Mai zeichneten sich erste Anzeichen von Ausbrüchen ab. Dabei lag der Schwerpunkt im Helgoländer Lummenfelsen in den Felsbändern – und nicht auf den Plateaus. Auf den Plateaus brüten die Basstölpel, in den Bändern sitzen – auf sehr engem Raum – die Trottellummen. Daran benachbart, auf kleinen Felsvorsprüngen, die Dreizehenmöwen. Aufgrund der hohen Dichte und Nachbarschaft der Brutplätze waren nun die Trottellummen am heftigsten von den Ausbrüchen betroffen: ab Pfingsten bis Mitte Juni fanden wir bei regelmäßigen Begehungen unter der Westklippe hunderte tote Trottellummen-Jungtiere. Sie wurden von uns eingesammelt und mittels Rachenabstrich beprobt. Vereinzelt fanden wir auch Alttiere, die am Felsen gestorben waren, was allerdings nicht bedeutet, dass kaum adulte Trottellummen betroffen waren: diese starben auf See und wurden bei entsprechenden Strömungen und Windstärken in großer Anzahl an der niedersächsischen Küste angespült. Proben bestätigten den Verdacht, dass es sich um HPAI-H5N1 handelte.
In vielen europäischen Ländern waren seit Mai infizierte Dreizehenmöwen gemeldet worden (u.a. Norwegen, UK, Island), zum Teil Brutkolonien mit sehr heftigen Ausbrüchen. Auf Helgoland war kein Massenausbruch zu verzeichnen, allerdings bleibt das reale Ausmaß unklar. Seit Ende Mai haben wir immer wieder Todfunde an den Stränden und der Düne gemacht. Auch die Großmöwen, die auf der Düne brüten (Silbermöwe, Mantelmöwe und Heringsmöwen) hatten im Jahr 2023 keinen Massenausbruch der aviären Influenza. Der Bruterfolg war dennoch schlecht, die Gründe hierfür sind unklar.
Wie schon im letzten Jahr, führten wir auch 2023 zeitnah Informationsgespräche mit Behörden und Reedereien, in Form von Aushängen informierten wir die Gemeinde Helgoland und das Institut für Vogelforschung über die Situation am Lummenfelsen. Zusätzlich fand unsere Lummeninfo von Mai bis Ende Juli direkt am Lummenfelsen statt. So konnten Gäste frühzeitig informiert und auf Fragen direkt eingegangen werden. Das Programm der Lummentage musste reduziert werden, die Abendveranstaltungen (Lummensprung-Führungen) fanden nicht statt. Die abendlichen Einsätze unter der Westklippe zur Beringung der Trottellummen-Jungtiere, durchgeführt durch die Vogelwarte Helgoland unter Beteiligung von freiwilligen Helfern der Insel und uns, fanden ebenfalls nicht statt. Die mögliche Gefahr der Infizierung weiterer Tiere und der hygienische Aufwand waren zu hoch.
Seitens des MLLEV (Ministerium für Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein) und des Kreises Pinneberg erfolgte Anfang Juni, nachdem die ersten Laborergebnisse vorlagen, eine offizielle Mitteilung über den erneuten Ausbruch.
Wir beobachten nun ständig das weitere Geschehen auf Helgoland mittels wöchentlichen Monitorings und Beprobung – und das ganzjährig.
Wenn Sie uns dabei unterstützen möchten, können Sie dies mit einer Mitgliedschaft im Verein, einer Spende oder einer Gebiets-Patenschaft tun und einen wertvollen Beitrag für die Vögel leisten!