Nachdem der Sommer bis in den September hinein noch viele warme Tage gebracht hat, wird es nun von Woche zu Woche ein bisschen herbstlicher auf Hallig Norderoog. Die Salzwiesen haben sich bereits in den verschiedensten Rottönen gefärbt. Die Strandmelde, die zeitweise einen undurchdringlichen Dschungel auf der Hallig gebildet hatte, lässt nun ihre Köpfe hängen.
Abbildung 1: Roter Queller auf dem Norderoogsand. Foto: Jannis Dimmlich.
Auf dem Wasser und im Watt bin ich nun nicht mehr ausschließlich von Watvögeln, sondern auch von zahlreichen Ringelgänsen und Pfeifenten umgeben. Bei den Ringelgänsen kommen nun auch die ersten Familienverbände an. Die Altvögel begleiten die Jungvögel noch bis in die nächste Saison und bringen ihnen so den Zugweg bei. Die Jungvögel lassen sich gut durch die hellen Streifen im Gefieder erkennen (siehe rote Markierungen Abbildung 2). Anhand des Anteils der Jungvögel in den Rasttrupps hier im Wattenmeer lässt also ein guter Rückschluss auf den Bruterfolg dieser Art erahnen.
Abbildung 2: Ringelgangsfamilie im Wattenmeer. Die hellen Streifen im Gefieder der diesjährigen Jungvögel (siehe rote Kreise) sind gut von den Eltern zu untescheiden. Foto: Jannis Dimmlich.
Eine spürbare Veränderung sind auch die kürzeren Helligkeitsphasen der Tage. Während ich im Sommer noch bis in die späten Abendstunden meine Zeit für Beobachtungen oder einen Spaziergang durchs Watt nutzen konnte, bin ich jetzt jeden Abend erstaunt, wenn es bereits gegen 19:00 Uhr dunkel wird. Dementsprechend ist eine Wanderung zum Norderoogsand oder nach Hooge seltener möglich. Und gerade, weil die Sonnenstunden nun weniger werden und der Abschied immer näher rückt, ist das auch gleichzeitig immer ein Ansporn für mich vor die Tür zu gehen und die Hallig zu erkunden oder vom Umlauf die vorbeiziehenden Vögel zu beobachten. Die aktuelle Zeit ist ideal, um nach Singvögeln Ausschau zu halten, die auf ihrem Zugweg die Hallig als Zwischenlandung nutzen. So kann es mal passieren, dass an einem Morgen dutzende Rotkehlchen verteilt um die Hütten sitzen, um hier eine Pause einzulegen. Seltener Gast war auch ein junger Buntsprecht, den scheinbar die hölzernen Hüttenpfähle angezogen haben. Über die gesamte Hallig fliegen regelmäßig Starenschwärme und sobald ich mich in der Vegetation bewege, fliegen zahlreiche Wiesen- und Strandpieper auf. Ab und zu lässt sich noch ein einzelnes “Kärrick“ der letzten Brandseeschwalben vernehmen. Die Seeschwalben sind nun größtenteils auf dem Zugweg unterwegs. Nur noch einzelne Individuen verweilen aktuell noch auf dem Norderoogsand oder der Hallig und erinnern mich mit ihren Rufen an die turbulente Brutsaison.
Abbildung 3: Große Ratsvogelschwärme sammeln sich auf dem Norderoogsand. Foto: Jannis Dimmlich.
Auch das Wasser ist präsenter geworden. Es kommt häufiger zu hohen Wasserständen und ich hatte schon eine Reihe von kleinen Landunterereignissen. Auch das Niedrigwasser steht oft noch hoch in den Prielen. Es wird also nicht langweilig hier auf Norderoog. Gerade die ständige Veränderung, die mich hier umgibt, macht die Zeit hier zu etwas besonderem. Und auch wenn der Wind mal um die Hütten pfeift und die Regentropfen an die Scheiben prasseln, fallen einem immer genug Dinge ein, die zu erledigen sind. Beispielsweise die Inventur in den Hütten. Über die Jahre und auch in meiner Dienstzeit haben sich viele Dinge hier angesammelt oder sind verbraucht worden. Dies gilt es nun zu erfassen, damit wir für die nächste Saison planen können, was hier vor Ort gebraucht wird. Etwas was aktuell wieder stärker verbraucht wird, ist das Feuerholz. Seit über einer Woche ist es morgens wieder kühl in den Hütten, sodass ich hier ein bisschen nachhelfen muss. Über den Tag hält sich die Wärme jedoch sehr gut oder wird von der Sonne ergänzt, sodass mein Vorrat nur langsam schrumpft. Bis zu meiner geplanten Abreise am Ende Oktober wird das Holz also noch reichen. Bis dahin werde ich jeden Tag genießen und so viel Zeit wie möglich mit dem Beobachten verbringen.
Euer Jannis von Norderoog
Abbildung 4: Herbstliches Landunter auf Hallig Norderoog. Foto: Jannis Dimmlich