Nun bin ich schon länger als einen Monat hier auf Norderoog. Auch wenn sich manche Abläufe, wie das Wasserholen am Anleger, der tägliche Blick auf Wetterbericht und Tidenkalender sowie das abendliche Zählen der Brandseeschwalben mittlerweile eingespielt haben, ist doch jeder Tag anders und neu. Jetzt wo es so richtig Frühling geworden ist, ist natürlich auch die Brutzeit in vollem Gange. Bei den bisherigen Terminen der Brutvogelkartierung konnte ich schon einige spannende Balzmomente der Rotschenkel teilweise direkt aus dem Küchenfenster beobachten. Aber nicht nur die Rotschenkel beginnen mit ihrer Brut hier auf Norderoog. Während in meinem letzten Bericht noch etwa 800 Brandseeschwalben mein bis dahin beobachtetes Maximum waren, so waren es am 05.05. zum Sonnenuntergang ca. 4.000 Brandseeschwalben, die sich vor allem im östlichen Bereich der Hallig aufhielten. Besonders schön waren meist abends die gemeinsamen Balzflüge, bei denen sich mitunter mehrere tausend Brandseeschwalben gleichzeitig, lautstark in die Luft erheben und mehrere Runden über der Kolonie und den Hütten drehen. Mittlerweile haben sich insgesamt 4 Teilkolonien entlang der Nordkante der Hallig herausgebildet, die größte mit derzeit über 2.000 Individuen am Ostende der Hallig. Am 08.05. habe ich dann das erste Mal einen kleinen Kontrollgang gewagt und war ganz begeistert, als überall verteilt die Eier zu finden waren.
Während bei den meisten Vögeln alle Zeichen auf Frühling stehen, steckt die Vegetation noch in weiten Teilen der Hallig im Winterschlaf. Auf den großen Bereichen, auf denen der Wintersturm die Strandmelde herausgerissen hat, ist es nach wie vor kahler Hallig-Boden zu sehen. Zwar steht schon eine spärliche, neue Pflanzendecke in den Startlöchern, wartet aber vergeblich auf Regen. Aktuell genieße ich die ersten warmen Tage und die vielen Sonnenstunden auf dem Umlauf, würde mir aber trotzdem mal wieder einen ordentlichen Schauer wünschen!
Abseits der spannenden Vogelbeobachtungen rund um meine Hütten, gab es für mich Ende April gleich mehrere spannenden Ereignisse. Neben meiner Online-Masterarbeitsverteidigung, für die ich die Gastfreundschaft der Schutzstation auf Hooge nutzen durfte, hatte ich hohen Besuch, auf meiner sonst eher einsamen Hallig. Die Bundesumweltministerin Steffi Lemke war zusammen mit Tobias Goldschmidt, Silke Backsen und Dr. Veit Hennig für einen Kurzbesuch im Wattenmeer und war sehr interessiert daran, wie das Ökosystem hier draußen funktioniert und von den Auswirkungen des Klimawandels ganz direkt betroffen ist. Mehr dazu erfahrt ihr hier.
Am letzten Wochenende war dann der große Tag des deutschlandweiten Birdraces gekommen. Für mich war es dieses Mal eine echte Umgewöhnung. Wenn man sonst diesen Tag für gewöhnlich auf dem Fahrradsattel verbringt und versucht an vielen verschiedenen Orten innerhalb von 24 Stunden so viele Vogelarten wie möglich zu finden, bin ich hier ein bisschen eingeschränkter, was die Mobilität betrifft. Und so habe ich bei Sonnenaufgang damit begonnen vom Umlauf alle Arten zu erfassen, die bei Hochwasser auf der Hallig zu finden waren. Danach wurde es dann eher trüb und die Sicht war ungünstig, um zu beobachten. Nachmittags wurde es zum Glück wärmer und sonniger und ich habe bei einem langen Spaziergang auf dem Norderoogsand noch einige Arten wie Wanderfalke, Trauerente, Zwergseeschwalbe und Sandregenpfeifer abhaken können. Am Ende des Tages waren es dann immerhin 39 Arten, mit denen ich mein Team am Festland ein bisschen unterstützen konnte. Zusammen haben wir es dann auf 145 Arten gebracht.
Neben dem einmaligen Birdrace werden auf dem Norderoogsand auch bei allen Springtiden, also zweimal im Monat alle Rastvögel gezählt. Hierbei bekomme ich zum Glück regelmäßig Unterstützung von dem Team der Schutzstation auf Hooge und meinen Jordsand-Kolleginnen aus Schlüttsiel. Seit mehreren Wochen sammeln sich auf den Außensänden riesige Trupps von Limikolen wie Knutts, Alpenstrandläufern, Kiebitzregenpfeifern und Pfuhlschnepfen, die jetzt kurz vor der Abreise in ihre arktischen Brutgebiete stehen. Noch kann ich mir gar nicht vorstellen, dass diese bald nicht mehr meine täglichen Nachbarn sein werden, sondern erst im Juli wieder zu uns in Wattenmeer kommen.
Limikolen-Schwärme sammeln sicht zurzeit auf den Außensänden, bevor sie in ihre nördlicheren Brutgebiete weiterziehen. Alle Fotos: Jannis Dimmlich