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Naturschutzverein Jordsand kritisiert geplante Verklappung von Elbschlick vor Vogelschutzinsel Scharhörn

Hamburg. Seit Monaten bereitet die HPA ohne Beteiligung der Öffentlichkeit die Verklappung von 1 Mio. Tonnen teils belastetem Elbschlick in der Elbmündung direkt neben der Vogelschutzinsel Scharhörn vor. Der Naturschutzverein Jordsand, der Scharhörn seit den 1940er Jahren und den Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer im Auftrag der Hansestadt Hamburg seit 1990 betreut, spricht sich vehement gegen die geplante weitere Schädigung des UNESCO-Weltnaturerbes Wattenmeer aus. „Durch das jahrzehntelange Umweltmonitoring an den bisherigen Verklappungsstellen von Elbschlick weiß man, dass die darin enthaltenen Schwebstoffe und Umweltgifte bereits für Bestandsrückgänge bei ohnehin schon vom Aussterben bedrohten Fischen und Seevögeln wie Stint und Flussseeschwalbe geführt haben und die Zugänglichkeit des Wattenmeers für den Naturtourismus erschweren“, kritisiert Dr. Steffen Gruber, Geschäftsführer des Vereins Jordsand. „Da Hamburg weiterhin an einem veralteten Hafenkonzept festhält, wird billigend in Kauf genommen, die Natur und die Menschen an der Küste noch weiter zu schädigen.“

 

Im geplanten Verklappungsbereich direkt vor Scharhörn herrschen hohe Strömungsgeschwindigkeiten, insbesondere beeinflusst durch Ebbe und Flut, Wind und die aus der Elbe ablaufenden Wassermassen. Durch diese hohe Dynamik ist dort ein festeres, sogenanntes Sandwatt entstanden. Dort verklappter Elbschlick wird somit kaum liegenbleiben, sondern durch das Wasser verfrachtet und anderswo, in ruhigeren Zonen des Wattenmeeres sedimentieren. Dadurch werden auch die dem Sediment anhaftenden Umweltgifte, wie z.B. Quecksilber und PCB konzentriert in den Lebensraum eingetragen.

 

 

Welche Auswirkungen die sogenannte Verdriftung des Elbschlicks hat, weiß man dank jahrzehntelanger wissenschaftlicher Untersuchungen nur zu gut. Die Sedimente trüben das Wasser und insbesondere Fischlarven werden bei ihrer visuellen Jagd auf ihre Beutetiere stark beeinträchtigt. So sind heute bereits die Bestände der FFH-Art Finte und des Elbstints auf einem historisch niedrigen Niveau. „Der von der HPA geplante Ausbringungszeit überschneidet sich voll mit dem Reproduktionsgeschehen dieser Fischarten“, sagt Steffen Gruber. „Das hat auch direkten Einfluss auf die Seevogelbestände, die in der Elbmündung brüten und mit diesen Elbfischen ihre Jungen großziehen.“ Im Neufelder Koog, nördlich der Elbmündung, befindet sich Europas größte Flussseeschwalbenkolonie und auf Neuwerk brüten tausende Paare von Brand- Fluss- und Küstenseeschwalben. Die Arten stehen auf der Roten Liste der bedrohten Tiere und sind stark gefährdet bzw. vom Aussterben bedroht. Das Weltnaturerbe Wattenmeer hat denselben Schutzstatus wie das Great Barrier Reef vor Australien und ist zudem durch die NATURA 2000-Richtlinie nach europäischer Naturschutzverordnung geschützt. „Laut EU-Gesetzgebung gilt ein Verschlechterungsverbot für FFH-Gebiete, auch wenn die Gefahr aus der Umgebung kommt“, erklärt Steffen Gruber. „Die Kosten-Nutzung-Rechnung der HPA blendet nicht nur die Naturschäden, sondern auch sehr wahrscheinlich, hohe Strafzahlungen wegen der Schädigung von FFH-Gebieten an die EU vollkommen aus.“

 

 

Es ist außerdem zu vermuten, dass sich die Sedimente im Watt um die Insel Neuwerk absetzen. Neuwerk ist bereits heute nur noch erschwert über das Watt und das immer wieder sich zusetzende Fahrwasser per Schiff zu erreichen. Neuwerk wird jährlich von knapp 100.000 Tourist:innen besucht. Diese kommen insbesondere wegen des einzigartigen Naturerlebnisses auf die Insel im Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer. „Wenn die HPA jetzt 1 Mio. Tonnen Elbschlick vor Scharhörn verklappen möchte, kommen so umgerechnet 10 Tonnen Elbschlick auf jeden Gast - das ist kein ausgesprochener Magnet für die touristische Bewerbung der Insel und des Nationalparks“, so Steffen Gruber. „Dabei benötigen die aktuelle Elbfahrwassertiefe nur etwa 2 Prozent aller die Elbe nutzenden Containerschiffe.“

 

 

Ein Hafenverbundkonzept wurde daher bereits vor vielen Jahren von den Naturschutzverbänden gefordert. Häfen, wie der Tiefwasserhafen Wilhelmshaven, Bremerhaven, aber auch Rotterdam und Antwerpen könnten sich über eine überregionale Containerlogistik gemeinsam mit Hamburg vernetzen und die wirklich großen Containerriesen müssten nicht mehr bis kurz vor die Lüneburger Heide fahren. „Das Beibehalten des veralteten und nicht an die heutigen Bedingungen angepassten Hafenkonzepts geht zu Lasten unserer Elbe und das ohne Rücksicht auf Verluste. Die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes insgesamt, und insbesondere im Elbeästuar vor unserer Haustür, ist auch Grundlage für unsere Lebensqualität und damit auch unsere Leistungsfähigkeit. Das alles nur an kurzfristigen wirtschaftlichen Gesichtspunkten festzumachen, ist deutlich zu kurz gesprungen und hat mit einem Generationsvertrag nichts zu tun, im Gegenteil, das heutige Fehlhandeln geht auf Kosten unserer Zukunft, insbesondere auf das unserer Kinder“, kritisiert Steffen Gruber scharf. „Wir hoffen sehr, dass durch die geplante Digitalisierungsoffensive des Bundesverkehrsministeriums mehr Bewegung in die norddeutsche Hafenkooperation kommt.“

 

 

Hintergrund 1: Nachdem die HPA seit September 2020 die Verbringung von Elbschlick vor Scharhörn ohne Beteiligung der Öffentlichkeit plant, wurden die Naturschutzverbände erst jetzt, am 08.02.2022, um Stellungnahme gebeten.

 

 

Hintergrund 2: Der „Verein Jordsand zum Schutz der Seevögel und der Natur e.V.“ ist einer der ältesten Naturschutzverbände in Deutschland. Seit 1907 bewahren die haupt- und ehrenamtlichen Naturschützer:innen die letzten Rückzugsräume für Seevögel und Meeressäuger. Zurzeit betreut der Naturschutzverein rund 20 Schutzgebiete in den Bundesländern Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Neben der naturschutzfachlichen Betreuung im Auftrag der Bundesländer sowie von vereinseigenen Naturflächen, forscht der Verein in Verbundprojekten im Bereich Seevogelschutz und bietet naturkundliche Führungen sowie Umweltbildungsprogramme für Kinder und Jugendliche an.

 

 

Kontakt für Nachfragen:

 

Dr. Steffen Gruber
Geschäftsführung des Vereins Jordsand
E-Mail: steffen.gruber@jordsand.de
Telefon: 04102 - 200332

 

 

Carolin Rothfuß
Stationsleitung Nationalpark-Haus Neuwerk
E-Mail: carolin.rothfuss@jordsand.de
Telefon: 04721 - 39 53 49
Mobil: 0171 726 1161

 

 

Kontakt

Verein Jordsand zum Schutz der Seevögel und der Natur e. V.

Bornkampsweg 35

22926 Ahrensburg

Tel.: 04102 32656

Email: info@jordsand.de


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