3 Monate später... unser ehemaliger Vogelwart blickt zurück

So schnell wie es auf meine kleine Privatinsel ging, endete mein Aufenthalt auch wieder. Ehe Ich mich versah, legte das kleine Schiff von Neuwerk ab, näherte sich nochmals Scharhörn und bog dann ab in Richtung Cuxhaven. Den Posten des Vogelwarts weitergegeben, fokussiere ich mich nun auf mein Studium, die Erlebnisse meiner 3 Monate Scharhörn allerdings immer im Hinterkopf. Und von einigen dieser Erlebnisse möchte ich nun nochmal berichten, diese teilen, schöne wie auch traurige, um einmal mehr den Blick auf die Natur zu richten, die uns ständig und allgegenwärtig umgibt und dennoch manchmal in den Hintergrund zu rücken scheint. Vielleicht gehen auch Sie danach nochmal etwas aufmerksamer draußen spazieren oder fassen sogar den Entschluss, selbst einmal das kleine Selbstexperiment zu wagen und ein paar Monate fernab der Zivilisation zu verbringen. Für mich steht zumindest fest: Ich werde definitiv wiederkommen.

Säbelschnäbler, Küstensseeschwalbe und Austernfischer über der Düneninsel Scharhörn. Fotos: Christopher Esser

Was ich damit meine ist, dass man im Alltag häufig durch die Gegend hetzt, ohne die Kleinigkeiten zu würdigen und mir hier wieder in Erinnerung gerufen wurde, wie spannend auch die alltägliche Umgebung sein kann. So kann man ein und dieselbe Strecke entlanglaufen, ohne etwas zu sehen oder eben sie entlanggehen, unzählige verschiedene Vogelarten beobachten, die verschiedensten Insekten, Pflanzen, Gerüche und Geräusche wahrnehmen. Etwas anderes blieb mir eigentlich auch gar nicht übrig, bei 3 Monaten und dem begrenzten Platz zweier kleiner Inseln.

 

Klar, meine Arbeit beschäftigte sich zwar auch sehr viel mit genau diesen Dingen, aber die bewusstere Art, die Umgebung wahrzunehmen blieb auch in der Freizeit bestehen. Und da einer meiner Gründe herzukommen, die Begeisterung am Naturschutz war, kann ich die These: Man kann nur schützen, was man kennt, ohne wenn und aber unterschreiben. Um Scharhörn als konkretes Beispiel zu nehmen: Es gab Besucher:innen, die sich kaum sattsehen konnten an diversen Vogelarten, verschiedensten Gewächsen und vielem mehr, was die Insel zu bieten hat. Andere hingegen könnte man hier absetzen und vermutlich nach 10 Minuten schon aufkommende Langeweile beobachten. Ich könnte es Niemandem verübeln. Bevor ich mich mit dem Weltnaturerbe Wattenmeer auseinandergesetzt habe, hätte ich dort vermutlich auch nicht viel mehr als einen Sandhaufen, Dünen und eben „Möwen“ gesehen. Und genau das motivierte mich die 3 Monate auch so sehr! Mit meiner Arbeit ebenfalls neue Einblicke zu gewähren, wie es aktuell um die Vogelpopulationen im Hamburgischen Wattenmeer steht und diese Informationen weiterzugeben. Mit meiner Leidenschaft am Naturschutz und den unmittelbaren Ergebnissen des Monitorings vielleicht den einen oder anderen anzustecken oder zumindest zum Nachdenken anzuregen.

 

Besonders erwähnenswert ist hierbei vermutlich die umfangreiche Kartierung der Eiderenten. Eine Menge Brutpaare konnte hier ermittelt werden, 490 an der Zahl, so viele wie nie zuvor. Damit brüten also tatsächlich die Hälfte der in Deutschland brütenden Eiderentenpaare hier, auf der gerade mal 515 Hektar großen Scharhörnplate. Eine durchaus sehr positive Nachricht, die wieder einmal zeigt, wie gut sich die Brutbestände in diesem fast unberührten Stück Natur entwickeln und eine Freude für jede:n Naturliebhaber:in.

Ebenso faszinierend war diese Beobachtung einer sehr wachsamen Seeschwalbe, die in der Anwesenheit der Sumpfohreule scheinbar eine so große Bedrohung oder Störung sah, dass sie kurzerhand zum Angriff überging und einen Sturzflug nach dem anderen flog, bis die wesentlich größere Eule schließlich das Weite suchte, um dem spitzen Schnabel des angriffslustigen Seevogels zu entgehen. Das Verhalten wäre nicht merkwürdig, wenn die Seeschwalbe dort Ihr Nest hätte, allerdings findet die Brut schon seit längerem nur noch auf Neuwerk statt, wo die Bedingungen deutlich günstiger sind.

 

Im Gegensatz dazu brütete die Sumpfohreule wieder sowohl auf Scharhörn als auch auf Nigehörn, mit jeweils einem Paar. Auf beiden Inseln konnte „nicht-flügger“ Nachwuchs entdeckt werden, also junge Eulen, die noch nicht in der Lage waren zu fliegen.

 

Im Gegensatz dazu brütete die Sumpfohreule wieder sowohl auf Scharhörn als auch auf Nigehörn, mit jeweils einem Paar. Auf beiden Inseln konnte „nicht-flügger“ Nachwuchs entdeckt werden, also junge Eulen, die noch nicht in der Lage waren zu fliegen.

 

Auch sehr erfolgreich bei der Brut waren unter anderem die Löffler, die erstmalig sowohl auf Scharhörn als auch auf Nigehörn brüteten und deren Bestand ebenfalls einen positiven Trend aufweist. Durchaus positiv bleibt auch die Entwicklung der Kormoranpopulation, einer Vogelart, die viele vermutlich eher auf Rügen lokalisiert hätten, wo sie in großen Kolonien in luftiger Höhe in Baumkronen brüten. Hier allerdings sitzen sie einfach in großer Anzahl auf dem ersten Dünenkamm Nigehörns. Bei einer Nesterzählung konnten etwa 250 Nester gezählt werden, ebenfalls einer der höchsten Werte seit jeher.

Komoran-Kolonie auf der Scharhörn-Plate im abendlichen Gegenlicht. Foto: Christopher Esser

Doch die Idylle wird teilweise auch getrübt. Schließlich ist die Außenelbe ein sehr stark befahrener Teil der Nordsee und wie die meisten Gebiete der Erde, auf irgendeine Art und Weise wirtschaftlicher Nutzung unterzogen, beispielsweise der Fischerei, als Transportweg für Güter oder der Energiegewinnung. Soweit so gut, allerdings hat das Ganze auch seine Schattenseiten, so wurde bei einem Routine-Beachcleanup auf einmal etwas entdeckt, dass dort definitiv nicht hingehört. Öl! Recht unscheinbar und nicht sehr viel. Auf den zweiten Blick jedoch unzählige dieser schwarzen klebrigen zähen Klumpen. Die gesamte Strandlinie entlang bis weit ins offen liegende Watt. Dazu kam noch der Fund eines Besuchers, der auf dem Weg durchs Watt den Inhalt eines Barrels fand. Das Fass hatte sich scheinbar aufgelöst und einen fast ein Meter langen und 50 Zentimeter hohen schwarzen Klumpen im Watt hinterlassen. Bei der Größe kann man von über hundert Litern Öl ausgehen. Scheinbar allerdings ein Einzelfund, da das restliche Öl am Strand verteilt in kleineren Klumpen lag und offensichtlich anderen Ursprungs war. Es wurde also der Beschluss gefasst, das Öl so gut es geht zu beseitigen. Den stechenden Geruch in der Nase machte ich mich mit Unterstützung anderer Freiwilliger daran, das Öl zu sammeln. Nach einigen Stunden waren wir soweit zumindest die größeren Brocken zu beseitigen. Am Tag darauf flog die Wasserschutzpolizei das Gebiet um die Plate ab, um zu ermitteln, ob es einen Ölteppich auf dem Wasser gebe und Nigehörn auch betroffen sei. Das war glücklicherweise nicht der Fall und so konnte das Ganze von unserer Seite aus vorerst abgehakt werden.

 

Schifffahrt vor Scharhörn

Dieser Vorfall zeigt wieder, wie schwierig es ist, Regeln und Gesetze auf See einzuhalten. Eine Nachverfolgung des Öls ist nahezu unmöglich, trotzdem ließen wir ein paar Proben zur Untersuchung ins Labor schicken. Doch in solchen Fällen kann man froh sein, dass nichts Schlimmeres passiert ist, es bemerkt wurde, dagegen vorgegangen werden konnte und hoffentlich keine schlimmeren Folgen für die Bewohner des Watts, Meeres und der beiden Inseln entstanden sind.

Scharhörn ist zwar eine einsame Vogelschutzinsel, aber menschliche Einflüsse sind immer wieder spürbar und sichtbar. Foto: Christopher Esser

Abgesehen von diesem eher ernüchterndem Negativbeispiel, mit was man hier so konfrontiert werden kann, waren diese 3 Monate eine einprägende und super schöne Zeit. Selbst die teils mühseligen Wattwanderungen zum benachbarten Neuwerk, um Lebensmittel abzuholen, werde ich sicherlich vermissen. Weniger hingegen den nicht gerade dekadentesten Speiseplan, was die Abwechslung anging. So gabs eben an manchen Tagen oder Wochen tatsächlich morgens mittags abends Nudeln!

Seehunde sonnen sich auf der Scharhörnplate. Foto: Christopher Esser

Rundum allerdings eine sehr gelungene Zeit, ein Haufen Sonne, Wind und Wellen, die ein oder andere Flaschenpost und natürlich jede Menge Küken und morgige Toasts bei Meerblick und pastellfarbenen Sonnenaufgängen. Nicht zu vergessen, die sternenreichen Nächte und das Funkeln der Lichter auf dem Wasser, sowie das beständige Aufblitzen des Helgoländer Leuchtfeuers in der Ferne, dass mich immer wissen ließ, dass es da draußen noch etwas Anderes gibt, als die Stille, die meine kleine Insel bei Nacht umgab.

 

Eine wunderschöne Zeit an meinen Nachfolger Kilian und jede:n anderen, der vielleicht in Zukunft den Entschluss fassen wird, sich auf dieses Abenteuer einzulassen.

Die Vogelwarthütte vorm Sternenhimmel der Elbmündung. Foto: Christopher Esser

Das solls soweit von mir gewesen sein, Ich bin allerdings sicher, dass euch hier noch viele weitere Berichte zukünftiger Vogelwart:innen erwarten werden.

 

Schöne Grüße,

euer Christopher Jakob Esser

Ehemaliger Vogelwart Scharhörns 2021

Kontakt

Verein Jordsand zum Schutz der Seevögel und der Natur e. V.

Bornkampsweg 35

22926 Ahrensburg

Tel.: 04102 32656

Email: info@jordsand.de


Spendenkonto Sparkasse Holstein

Kontonr.: 90020670

BLZ: 21352240

IBAN: DE94 2135 2240 0090 0206 70

BIC: NOLADE21HOL

Spendenkonto Postbank Hamburg

Kontonr: 003678207

BLZ: 20010020

IBAN: DE84 2001 0020 0003 6782 07

BIC: PBNKDEFFXXX