Im Folgenden findet Ihr einen kleinen ersten Eindruck von mir über den kleinen Sandhaufen – die Düneninsel Scharhörn – in der Elbmündung, von der viele vermutlich noch nicht einmal wissen, dass
es sie gibt, ich sie allerdings für 3 Monate sogar mein Zuhause nennen darf. Ich! Richtig. Ich bin Christopher, 20 Jahre alt, angehender Student und der erste Vogelwart auf Scharhörn in diesem
Jahr.
Mitte März: Ich sitze schon auf glühenden Kohlen und ahne noch nicht, dass die Anreise sich als so verzwickt entpuppen wird… Ein negatives Testergebnis ist von Nöten, um nach Neuwerk -meinen Zwischenstopp- übersetzen zu dürfen. Nicht älter als zwei Tage darf dieser sein, jedoch ist bei der Überfahrt Spontanität gefragt, da die Wattwagen nur bei geeignet niedrigem Wasserstand die etwa einstündige Fahrt durchs Watt antreten können. Nach einigem Hin und Her ergibt sich dann endlich ein Termin, der 26 März. Eine Zugfahrt musste ich schon verfallen lassen, aufgrund eines defekten Schnelltests.
Am Vorabend meiner Abreise packe ich also das Nötigste für meinen dreimonatigen Aufenthalt auf Scharhörn, verabschiede mich am nächsten Morgen noch von meiner Freundin und ehe ich mich versehe, sitze ich schon im Zug und einige Zeit später im holprigen Wattwagen nach Neuwerk. Cuxhaven wird zu einer Silhouette am Horizont. Auf Neuwerk werde ich freundlich begrüßt und gleich zum Lagerfeuer eingeladen. Die Inselidylle überkommt einen sofort und ganz alltägliche Dinge und Probleme scheinen weit weg am Festland geblieben. So auch das Leben mit der Pandemie. Hier gibt es nur das knisternde Feuer, den sternenklaren Nachthimmel und das Geschnatter der tausenden Gänse, die sich bereits auf Neuwerk eingefunden haben und sich in großen Scharen auf den Wiesen und dem Vorland tummeln.
Ende März: Die kommenden Tage auf Neuwerk nutze ich, um mich mit meiner Arbeit vertraut zu machen, bevor es dann am 31. endgültig losgeht. Morgens in der Früh‘ werden die letzten Gepäckstücke in den Hänger geladen und bei heiterer Stimmung geht es gen Norden. Auf Scharhörn angekommen, begrüßen uns auch schon eine selten gewordene Eulenart, die Sumpfohreule, und zig Möwen sowie Gänse aller Art. So schnell die Traktoren angekommen sind, sind sie auch schon wieder weg. Neben meiner Wenigkeit wurden sonst „nur“ schlappe 300 Liter Wasser -abgefüllt in Kanister und Glasflaschen-, kistenweise Lebensmittel, Brennholz, Gasflaschen und meine persönlichen Gepäckstücke abgeladen. Und eins steht fest: Der Krempel bringt sich leider nicht allein den etwa viertel Kilometer zu meiner kleinen Stelzenhütte. An meiner Euphorie ändert das allerdings wenig und so lege ich gleich los!
Gegen Abend bin ich dann tatsächlich fertig, beginne, es mir drinnen ein wenig wohnlicher zu machen, den Ofen einzuweihen und meine Lebensmittel zu verstauen. Das soll es dann auch schon gewesen sein. Ich bin fix und fertig!
Irgendwann im April: Soweit gut eingelebt, lässt die Arbeit nicht auf sich warten. Ich bin damit beschäftigt den Strand sauber zu halten, akribisch zu erfassen, um welchen Müll es sich handelt, Totfunde, Insekten, Pflanzen aller Art und so weiter zu bestimmen und zu melden und währenddessen der wichtigsten Tätigkeit nachzugehen, Vögel zu beobachten. Das Fernglas ist also mein treuer Begleiter und während ich Scharhörn und die Nachbarinsel Nigehörn erkunde, finde ich schon hier und da die ersten Graugans- und Stockentennester.
Und passend zum Monat: Ein Wechsel aus sonnigen Tagen und peitschenden Polarwinden, die sogar Schnee mit sich bringen und mich zum Holzhacken zwingen. Der erste Sturm zieht gnadenlos auf und sorgt für die erste starke Sturmflut. Während der Leuchtturm Westerhever und sicher auch viele Halligen ein Landunter melden, kann ich -mit meiner Kamera bewaffnet- noch ganz gut durch die hochgelegene Dünenlandschaft streifen, um ein paar Bilder der Knutt- und Alpenstrandläuferschwärme zu schießen, nahe der Brandung der tobenden See. Darauf die Tage nutze ich für die ersten Kartiergänge vielerlei Vogelarten, auf die mich das Vereinsmitglied Jens Umland bei einem sehr spannenden Vortrag übers „Monitoring“ bereits vorbereitet hatte. Von Singvögeln wie den Feldlerchen, über Löffler, Gänse, Enten, die Sumpfohreule und vieles mehr. Die Artenliste wächst stetig von Tag zu Tag und es ist kaum möglich sich am schillernden Watt, den Vogelschwärmen und Sonnenauf- beziehungsweise - untergängen sattzusehen.
Ein sonniger & lauer Frühsommerabend: Hier sitze ich nun also und lasse den letzten Monat Revue passieren, draußen das Gekreische der Möwen und das leise Piepsen der Wintergoldhähnchen, die es sich in der Kartoffel-Rose gemütlich gemacht haben. Hier. Hier sitze ich und schreibe an meinem ersten kleinen Bericht von meiner bisherigen Zeit auf Scharhörn. Gegen die Einsamkeit hilft der Fakt, dass hochgerechnet auf einen Quadratkilometer immerhin 2,3 Personen hier auf Scharhörn leben. Also in der Theorie! Aber der Blick über den rot schimmernden Horizont schweifen zu lassen und vielleicht nochmal kurz ins Meer zu springen bevor ich mich dann am Kamin aufwärme und überlege, was ich morgen mache, welchen Teil der Insel ich diesmal erkunde und auf welche interessanten Funde oder Vögel ich treffen werde hilft auch gegen manchmal aufkommende Einsamkeit. Ob vielleicht einige der frisch geschlüpften Graugansküken auf der Salzwiese oder vielleicht an der Brandung angetroffen werden können?
In der nächsten Zeit werden noch ein paar weitere Berichte folgen, über die älter werdenden Graugänse, den Bruterfolg der Sumpfohreule und vieler anderer einzigartiger Vögel hier auf der Plate und den einkehrenden Sommer.
Bis dahin, Viele Grüße von Scharhörn und bleibt gesund!
Euer Christopher Esser
Vogelwart auf Scharhörn