Die Brutzeit ist in vollem Gange

„Nu ist der Junge schon seit acht Wochen auf der Hallich und hat noch kein einziges Mal etwas über Vögel geschrieben.“ Falls das der / die ein oder andere von Euch in letzter Zeit mal gedacht haben sollte, dann … habt Ihr vollkommen recht. Außer der Erwähnung der ersten beiden vorbeifliegenden Brandseeschwalben im ersten Blog-Artikel kam bisher noch gar nichts dazu. Naja, es kamen eben immer ebenso spannende Ereignisse wie ein Landunter oder Sandverwehungen dazwischen, die ich Euch nicht vorenthalten wollte.

 

Und in der Zwischenzeit wurden aus zwei Brandseeschwalben 38, aus 38 wurden 220, aus 220 wurden 980 und so weiter... Mittlerweile habe ich zu Ost und West meiner Hütten ca. 3.600 Individuen dieser wunderschönen Vögel sitzen, die fleißig ihre ein bis zwei Eier bebrüten. Allerdings sind Teile der beiden Kolonien vom Umlauf aus nicht einsehbar, weswegen die tatsächliche Zahl wahrscheinlich höher liegt. (Die Ergebnisse der genaueren Luftbilderfassung stehen noch aus.)

 

Vor ca. zwei Wochen haben die ersten Brandseeschwalben mit der Eiablage begonnen und gemäß der Bebrütungsdauer von 24 Tagen dürften dann Ende Mai bzw. hauptsächlich Anfang Juni die ersten Küken schlüpfen. Bis Anfang Mai waren die Brandseeschwalben noch in ihrer Ansiedelungsphase, die allabendlich von spektakulären Schwarmflügen geprägt war. Wie im Video zu sehen, hielten sich die Vögel bis dato noch größtenteils auf der Ostseite der Ost-Warft auf. Anfang Mai begannen sie dann allerdings, sich umzusiedeln und seitdem befindet sich wie alljährlich nun auch westlich der Hütten eine Kolonie mit ca. 1.200 Tieren. Mittlerweile sind die Brandseeschwalben in der Ost-Kolonie nochmal ein ordentliches Stück näher gekommen, sodass sie vom Umlauf der Hütten perfekt zu beobachten sind.

Was aus dem Video auch hervorgeht: Es ist laut. Sehr laut. 60 – 70 Dezibel ganz konkret. Es ist ein Irrtum zu denken, dass mensch auf Norderoog seine Ruhe hat. Zumindest nicht zu dieser Zeit. Aber das stört keineswegs, ist es doch ein viel schöneres Geräusch als lärmender Verkehr oder Laubbläser. Erst recht, wenn ich gleichzeitig beobachten kann, woher dieser Lärm kommt – durch Kommunikation mit dem Partner zum Beispiel oder durch Auseinandersetzungen mit den Nestnachbarn. Jetzt weiß ich auch, warum es auf Norderoog große Vorräte an Ohrstöpsel-Packungen gibt: Ohne diese wird das Einschlafen schwierig. Und doch, ich kann diese stark mitteilungsbedürftigen Tiere nur liebhaben.

 

Der kontinuierlich hohe Lärmpegel rührt aber nicht nur von den Brandseeschwalben, sondern zu einem nicht unerheblichen Teil auch von den noch viel näher an den Hütten brütenden Fluss- und Küstenseeschwalben. Gerade Letztere brüten mittlerweile sehr nah bzw. auch unter den Hütten und wissen lautstark auf sich aufmerksam zu machen.

Beide der rotfüßigen Seeschwalbenarten kamen am 23. April das erste Mal zur Inspektion des künftigen Brutplatzes vorbei und v.a. die Flussseeschwalben haben sogleich intensiv mit ausführlichem Probeliegen in geeigneten Mulden begonnen. Ich muss zugeben: Einen Vergleich zu Loriots Sketch „Der Bettenkauf“ kann ich mir bis heute nicht verkneifen. Der „Bettenkauf“ scheint erfolgreich gewesen zu sein, denn mittlerweile fanden schon 49 Brutpaare der Küstenseeschwalben und 58 Paare der Flussseeschwalben eine geeignete Mulde zum Brüten (bzw. haben sich diese zurechtgescharrt) und täglich entstehen weitere.

Zu denen, die sich von den Hütten irgendwie magisch angezogen fühlen, zählen auch zwei Eiderenten, eine Stockente, Austernfischer und Rotschenkel. Zwar ist durch die ganzen Brutaktivitäten rund um meine Behausung mein Bewegungsradius momentan sehr eingeschränkt, aber die Hallig „gehört“ nun mal den Vögeln und abendliche Balzkonzerte der Rotschenkel machen alles wett.

 

Neben den Brandseeschwalben als koloniebrütende Vögel gibt es auf Norderoog aber natürlich auch noch diverse Möwenarten als klassische Koloniebrüter. Können die im Westen der Hallig brütenden Herings-, Silber- und Mantelmöwen durch die Prädation von Eiern und Küken durchaus einen negativen Einfluss auf den Bruterfolg der Brandseeschwalben und anderer Brutvögel auf der Hallig haben, sind die ebenso in großer Zahl brütenden Lachmöwen eher typische Begleiter der Brandseeschwalben. Derzeit umfasst die Lachmöwen-Kolonie auf Norderoog etwa 3.100 Brutpaare, was ähnlich viel wie in den letzten Jahren ist. Für eine endgültige Beurteilung des Bruterfolges ist es momentan jedoch noch zu früh. Auf Norderoog sind die Kolonien der Brandseeschwalben zwar größtenteils homogen, aber gerade in den Randbereichen kommt es zum Teil zur Vergesellschaftung mit Lachmöwen. Neben vielen anderen Ursachen können somit auch Änderungen der Lachmöwenbestände und ihrer Koloniestrukturen Einfluss auf die Änderung der Koloniestrukturen und -standorte der Brandseeschwalben haben (vgl. Nationalpark Wattenmeer Niedersachsen 2021). Insofern hat auch deswegen Norderoog eine herausragende Bedeutung, da es zumindest an der Schleswig-Holsteinischen Nordseeküste der letzte Brutplatz der Brandseeschwalben ist und zudem im Gegensatz zu vielen anderen Brandseeschwalben-Kolonien stetig, d.h. jedes Jahr besetzt ist (vgl. Mendel et al. 2008, S. 369 in Hansen 2016). Näheres zur Brandseeschwalbe gibt es dann demnächst in einem extra Brandseeschwalben-Blogartikel.

 

Zwei erfreuliche Dinge noch zum Schluss: Nach wochenlang erfolglosem Suchen in der Lachmöwenkolonie (natürlich vom Umlauf aus) sind am 10. Mai auch endlich wieder zwei Schwarzkopfmöwen aufgetaucht. Seit 2016 gab es außer in 2017 jährlich ein bis drei Brutpaare (Jahresbericht Norderoog, Walter, Heimbach 2020) und mindestens eines scheint es also auch in diesem Jahr wieder zu versuchen. Sie haben sich nun in der Lachmöwenkolonie niedergelassen.

 

Des Weiteren kamen in den letzten Wochen immer mehr Löffler über einige Stunden zum Rasten vorbei. Maximal waren es 15 Stück am 9. Mai und einige blieben bereits auch über Nacht.

Da Löffler einen sehr asynchronen Brutverlauf haben, ist es momentan noch schwer abzuschätzen, wie viele Paare letztendlich wieder hier brüten werden. Aber trotz erfolglosem Brüten der ersten vier Brutpaare im letzten Jahr werden sich auch dieses Jahr wahrscheinlich wieder einige Löffler niederlassen.

 

Also, es bleibt spannend.

 

Lautstarke Grüße von Norderoog,

Euer Sebastian

 


 

Quellen:

 

Walter, E, Heimbach, E. (2020): Hallig Norderoog & Norderoogsand. Jahresbericht 2020. Ahrensburg: Verein Jordsand zum Schutz der Seevögel und der Natur e.V.

 

Hansen, S. (2016): Hallig Norderoog – Kinderstube der Brandseeschwalbe. Eine

Bestandsaufnahme zu den Vegetationsveränderungen und den damit verbundenen Auswirkungen auf das Brutverhalten der Brandseeschwalbe. Bachelor-Arbeit. Neubrandenburg: Fachbereich Landschaftswissenschaften und Geomatik, Hochschule Neubrandenburg.

 

National Wattenmeer Niedersachsen (2021): Brandseeschwalben legen mit dem Brutgeschäft los [online]. Verfügbar unter: https://www.nationalpark-wattenmeer.de/news/brandseeschwalben-legen-mit-dem-brutgeschaeft-los/ [16.05.2021].

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