Husum – Besorgt, als wären es die Kursentwicklungen eigener Aktien an der Börse, verfolgten Halligbewohner, Naturschützer und Biologen am vergangenen Wochenende die Wasserstände der Sommersturmflut an der nordfriesischen Nordseeküste auf Pegelonline. Das Bangen galt den brütenden Küstenvögeln im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Die schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich zur Springflut am Sonntagnachmittag: Auf den kleinen, wenig geschützten Halligen Norderoog, Süderoog, Gröde, Habel, Südfall und Nordstrandischmoor vernichtete Sturmtief Verena einen großen Teil der Bruten von Lachmöwen, Austernfischern, Seeschwalben und anderen Küstenvogel-Arten. Bei Wasserständen zwischen 0,80 und 1,10 Meter über dem mittleren Tidehochwasser, wurden am Sonntag und Montag die Salzwiesen der Halligen und vieler anderer Vordeichsflächen, auch in Dithmarschen, überflutet.
Jeremias, der Vogelwart des Vereins Jordsand auf Hallig Norderoog, bangte am Montag um die Bruten der einzigen Schleswig-Holsteinischen Kolonie der Brandseeschwalben, sie kamen dort noch mit einem blauen Auge davon. Die nur acht Hektar kleine Hallig hatte mit einem Wasserstand von 72 Zentimetern über mittlerem Tidehochwasser nur ein Teillandunter. Dennoch: die Lachmöwen, die in der tiefliegenden Halligmitte brüten, hat es auch hier fast vollständig getroffen.
Allein auf Hallig Südfall führte bereits das Sturmtief Ela am 6. Juni zur Überflutung fast aller Küken und Gelege der etwa 5.500 Lachmöwenbrutpaare. Noch letzte Woche konnten dort, kurz vor dem Landunter, zahlreiche schlüpfende Küken aus den nachgelegten Ersatzbruten festgestellt werden. Auch sie wurden jedoch alle Opfer des Wochenendhochwassers und ertranken in der hohen Flut. Allein auf vier Halligen spülte das Hochwasser die Gelege und Küken von 18.800 Brutpaaren der Lachmöwe in den Tod. Die Gesamtzahl im Nationalpark ist noch nicht überschaubar.
Derartige Sommerhochwasser, bei den Einheimischen als „Kükenflut“ bekannt, gab es vereinzelt schon in der Vergangenheit. „Offensichtlich hat der ansteigende Meeresspiegel, in Kombination mit Extremwetterlagen durch den Klimawandel, die Häufigkeit solcher Überflutungen in den letzten Jahren aber ansteigen lassen“ sagt Dr. Veit Hennig, Tierökologe am zoologischen Institut der Universität Hamburg. Mit dem Ausfall der Bruten in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren können auch die langlebigen Küstenvogelarten beträchtliche Populationseinbußen erleiden. Der Verein Jordsand wird dieses möglicherweise durch den Klimawandel beschleunigte Phänomen in den nächsten Jahren auf der vereinseigenen Hallig Norderoog durch genaue Pegelaufzeichnungen mit einem wissenschaftlichen Projekt verfolgen. „Wir sollten beim Anstieg des Meeresspiegels nicht nur über die weit entfernten Marshall Islands und andere betroffene ozeanische Inseln diskutieren, wir haben das gleiche Problem vor der eigenen Haustür. Auch unsere Halligen liegen nur 1-2 Meter über dem heutigen Meeresspiegel“ sagt Eric Walter, Leiter der Jordsand-Regionalstelle Nordfriesland.
Der Verein Jordsand
Seit mehr als 110 Jahren hat sich der Verein Jordsand dem Schutz von Seevögeln an unseren Küsten verschrieben. Er betreut mehr als 20 Schutzgebiete vorwiegend an Nord- und Ostsee, von Helgoland über das nordfriesische und hamburgische Wattenmeer, die Unterelbe, bis zur schleswig-holsteinischen und vorpommerschen Ostseeküste rund um Rügen. Regelmäßig ernennt der Verein Jordsand einen seiner Schützlinge zum Seevogel des Jahres, in diesem Jahr die ebenfalls von zunehmenden Sommersturmfluten bedrohte Flussseeschwalbe. Weitere Infos dazu unter https://www.jordsand.eu/themen/seevogel-des-jahres/seevogel-des-jahres-2020/
ACHTUNG:
Ihr Ansprechpartner ist Eric Walter, Tel. 04841 – 668535 oder 0160 - 5530122, eric.walter@jordsand.de
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