Sie sind soo süüß! Das dachte ich mir im April so ungefähr jeden Tag, als wir zu den Schafen gefahren sind. Denn am 09.04., zwei Tage früher als erwartet, kamen die ersten vier Lämmer des Jahres auf der Oie zur Welt.
Über 110 Pommersche Landschafe haben wir das ganze Jahr über als Landschaftspfleger auf der Greifswalder Oie. Indem sie die Sprösslinge und jungen Triebe von Brombeere, Schlehe und Weißdorn verbeißen, halten sie die offenen Wiesenlandschaften auf der Insel frei. Die Herde besteht aus 70 Mutterschafen und 40 vorjährigen weiblichen Schafen. Dazu kommen noch drei Böcke, die allerdings getrennt von der Herde auf einer anderen Koppel stehen. Im Herbst haben wir 40 Mutterschafe von einem der Böcke decken lassen, sodass wir jetzt im Frühjahr mit ca. 60 neuen Lämmern rechnen konnten, denn im Durchschnitt haben die Hälfte der Schafe Zwillingsgeburten.
Auch wenn wir von den Veränderungen, die das Corona-Virus mit sich zieht, hier auf der Insel verhältnismäßig wenig mitbekommen, fehlen
uns einige helfende Hände, da ab April keine neuen Helfer mehr auf die Insel durften. So stellt die Lammzeit in diesem Jahr eine besondere Herausforderung für uns dar. Schon nach ein paar Tagen habe ich gemerkt, dass die Lämmer nicht einfach nur süß
sind, sondern dass wir auch eine große Verantwortung tragen, die mit jedem neuen Lamm wächst. Man macht sich ständig Sorgen, ob es allen Schafen gut geht oder ob es doch irgendwelche Probleme
gibt. Umso mehr Zeit investieren wir darin, regelmäßig nach der Herde und insbesondere nach den Lämmern und den trächtigen Mutterschafen zu schauen. Dieses Frühjahr mussten wir drei Mal bei oder
nach der Geburt helfen, weil es Schwierigkeiten gab.
Normal sehen wir jeden Tag bei den Schafen nach dem Rechten, jetzt in der Lammzeit mindestens zweimal täglich. Auch wenn wir nur zu sechst sind und immer zu dritt die Schafe kontrollieren, haben
wir es geschafft mit ein paar weniger Netzen als sonst, die Beringungsarbeit fortführen. Zum Glück ist das Rauhwollige Pommersche Landschaf eine sehr eigenständige und robuste Schafrasse, sodass
die Lämmer meist ohne unsere Hilfe problemlos auf der Koppel zur Welt kommen können. Trotzdem ist es wichtig, die Herde regelmäßig zu kontrollieren, um im Notfall schnell helfen zu
können.
Zur generellen Kontrolle, ob es allen gut geht, kommt dazu, dass wir den
Lämmern möglichst tagesaktuell ihre Ohrmarken geben. So können wir ein genaues Buch darüber führen, wann welches Lamm geboren wurde und wer die Mutter ist. Denn schon nach wenigen Tagen bilden
die Kleinen Spielgruppen und halten sich nicht mehr so dicht bei ihrer Mutter auf, sodass es immer schwieriger wird, den Lämmern das richtige Mutterschaf zuzuordnen.
Sich um die Schafe zu kümmern, ist hier mit einer meiner Lieblingsaufgaben. Gerade jetzt macht es natürlich besonders Spaß, nicht nur
weil die Lämmer so süß sind, sondern auch weil ich unglaublich viel über Schafe, besonders über ihr Verhalten, lernen konnte.
Jedes Jahr ist die Lammzeit auf der Greifswalder Oie ein besonderes Ereignis, welches nicht nur mit mehr Arbeit, sondern auch mit vielen schönen Momenten verbunden ist. Es ist ein idyllisches
Bild wie die Lämmer übermütig und auch ein bisschen tollpatschig mit ihren viel zu langen Beinen über die grüne Koppel tollen, den Leuchtturm im Hintergrund.
Wir hoffen, dass auch noch die letzten Lämmer gesund zu Welt kommen und das Inselleben genießen können.
Lena Thielcke, FÖJlerin auf der Greifswalder Oie
(Im April 2020)