Silberner austernfischer 2013
Verleihung „Silberner Austernfischer“ für besondere Verdienste im See- und Küstenvogelschutz an Dr. Erika Vauk-Hentzelt und Prof. Dr. Gottfried Vauk Ahrensburg, Haus der Natur, 12. Dezember 2013.
Liebe Erika, lieber Gottfried, liebe Jordsanderinnen und Jordsander, liebe Gäste,
ich freue mich außerordentlich, dass ich als aktueller Jordsand-Vorsitzender die Ehre habe, euch beiden heute den erstmals zu vergebenden „Silbernen Austernfischer“ zu verleihen, für besondere Verdienste im See- und Küstenvogelschutz. Oft ist es ja so, dass hinter einem bedeutenden Mann eine bedeutende Frau steht. Hier ist es anders, die bedeutende Frau steht neben ihm. Deswegen werdet ihr auch beide ausgezeichnet.
Beide wart ihr lange Jahre ehrenamtlich für den Verein Jordsand aktiv, Gottfried1978 als Vorstandsmitglied und von 1979 – 1990 als Vorsitzender, Erika ebenfalls als langjähriges Beirats- und Vorstandsmitglied. Mit beiden Namen verknüpfen sich Meilensteine in der Vereinsgeschichte.
Einige davon möchte ich heraus greifen: Mit dem beginnenden Engagement der Vauks kamen die beiden Helgoländer Naturschutzgebiete in die Betreuung des Vereins: der Lummenfelsen als kleinstes NSG Deutschlands und etwas später das Felssockelgebiet als größtes NSG in Schleswig-Holstein.Beide sind bis heute herausragende Naturgebiete mit in Deutschland einmaligem Artenspektrum und faszinierenden Erlebnismöglichkeiten.
Weitere Schutzgebiete kamen kurz darauf hinzu: 1982 Hallig Habel, 1984 das Ahrensburger Tunneltal, 1988 die Hoisdorfer Teiche, 1989 die neu aufgespülte Insel Nigehörn im Hamburger Wattenmeer.
Die Vereinszeitschrift SEEVÖGEL wurde 1979 von Gottfried Vauk begründet. Sie ist bis heute das Publikationsorgan des Vereins und erscheint derzeit im 34. Jahrgang. Zusammen mit dem 1986 gegründeten INUF, dem Institut für Naturschutz- und Umweltschutzforschung, wurde sie ein Markenzeichen des Vereins Jordsand. Neben dem Naturschutz wurde damit auch die angewandte Umweltforschung im Nordseeraum ein besonderer Schwerpunkt des Vereins. Hier profitierte der Verein natürlich von der „Ehe“ mit der Vogelwarte Helgoland. Gottfried Vauk war Leiter der Inselstation, Erika dort projektfinanzierte Angestellte.
Gottfried beherrschte meisterhaft die abwechselnde Nutzung der verschiedenen Briefköpfe: die Institutsbögen für Offizielles und den Dienstweg, den Vereinsbogen für etwas drastischer formulierte Äußerungen. Oder er nutzte den Verein, wenn es galt, eine direkte Verbindung zu hochrangigen Politikern aufzubauen und dort seine Meinung vorzubringen. Mindestens einmal gab es zu dieser Vorgehensweise ein ministerielles Stirnrunzeln. Vauks unverblümte Antwort: Ich bin Beamter und habe schon mehrere Minister überlebt.
Früher als andere entwickelte Gottfried Vauk ein Gespür für potentielle oderim Entstehen begriffene Gefährdungen der Umwelt, z. B. beim Thema Meeresmüll oder bei der Vogelschlaggefahr an Windkraftanlagen. Das herausragende Thema war aber die dramatisch zunehmende Ölpest in den 1980er Jahren. Diese Zunahme war überhaupt erst dadurch nachweisbar, dass Gottfried Vauk seit 1960 bereits ein Ölopfer-Monitoring auf Helgoland etabliert hatte. Durch die Kooperation mit dem Deutschen Hydrografischen Institut (heute BSH) und die akribische Arbeit von Erika Vaukund weiteren Kollegen gelang der Verursacher-Nachweis – hauptverantwortlich war der modernisierte Schiffsbetrieb, der zunehmend nicht nutzbare Brennstoffrückstände über Bord pumpte, das sogenannte Bunker-C-ÖL oder Heavy Fuel Oil, ohne Rücksicht auf Verluste.
Generationen von Freiwilligen, erst auf Helgoland, später an der gesamten deutschen Nordseeküste, kontrollierten die Strände, zählten und entsorgten die verölten Kadaver oder – schlimmer noch –erlösten Tausende verölter See- und Küstenvögel von stiller Qual. Tausende waren es – ohne dass es ein spektakuläres Schiffsunglück gegeben hätte. Es war einfach die verantwortungslose Abfallentsorgung im Meer – wir nannten es die chronische Ölpest. Das unmittelbare Erleben des langsamen Sterbens dieser Kreaturen, eine diabolische Kombination aus Erfrieren, Verhungern und Vergiftet-Werden, sowie die Ohnmacht, hier nichts mehr tun zu können, außer diese Katastrophe zu dokumentieren, ließ viele von uns zu „Überzeugungstätern“ im Umweltschutz werden.
1984 begann dann die Datenerfassung zum Thema Schiffsmüll. Angetriebener Müll und in Netzresten sterbende Seevögel waren an den Stränden und in den Brutkolonien ein alltägliches Bild geworden – und sind es bis heute geblieben. Aber ein Bild eben, an das sich Gottfried Vauk nicht gewöhnen wollte und konnte.Bis heute gibt es so gut wie kein Basstölpelnest auf der Helgoländer Klippe ohne Netzreste, die als Nistmaterial von den Vögeln eingetragen werden und Alt- und vor allem Jungvögeln oft zu einem tödlichen Verhängnis werden. Zunehmend wurden auch tote Eissturmvögel im Spülsaum gefunden – verhungert – die Mägen gefüllt mit Plastikpellets. Diese Pellets werden als Rohstoffe über die Weltmeere geschippert und gehen beim Löschen der Ladung oder bei der Reinigung der Laderäume über Bord. Mit eindrucksvollen Fotoserien und Zählergebnissen von Stränden und Meeresgrund und die entsprechende Zuarbeit bei den Entscheidungsträgern gelang es sogar, weltweit geltende Verbote zum Eintrag von Schiffsmüll durchzusetzen (MARPOL V).
Naturschutz und Umweltforschung gingen einher mit einer verstärkten Bildungs- und Aufklärungsarbeit. Bereits 1978 und 1982 konnten zwei Pädagoginnen eingestellt werden, eine auf Sylt im dort eröffneten Info-Zentrum der Eidumkoje (über eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme) und eine im Wulfsdorfer Haus der Natur. Diese Stelle gibt es bis heute. Insbesondere das Haus der Natur als Geschäftsstelle des Vereins ist beiden Vauks bis heute eine Herzensangelegenheit geblieben.
Aber was wäre der Verein Jordsand ohne die ehrenamtliche Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Und hier ist vor allem auch Erika zu nennen, die unzählige Führungen am Helgoländer Vogelfelsen durchgeführt und Spenden eingesammelt hat.Der Lummenfelsen war damals noch die herausragende Attraktion auf der Insel, die Kegelrobbenkolonie gab es noch nicht.Über Helgoland hinaus wurden in dieser Zeit in den Schutzgebieten des Vereins das Führungsangebot ausgeweitet und mehrereInfo-Zentren eingerichtet.
Hunderte Veröffentlichungen entstanden, nicht nur in Wissenschafts-Journalen, sondern vor allem auch in Zeitschriften mit breiter Leserschaft. Als Titelfoto der Proceedings des 2. Internationalen Symposiums über Meeresmüll auf Hawaii wurde 1990 ein Bild von Helgoland veröffentlicht – ein fliegender Basstölpel über der Langen Anna, verstrickt in Plastik-Netzreste. Dazu erschien fast jährlich ein Sonderband SEEVÖGEL, um all die Ergebnisse auch unterzubringen. Zahlreiche Fernsehbeiträge trugen ebenfalls dazu bei, dass das Thema Meeres- und Seevogelschutz auf der politischen Tagesordnung blieb.Unvergessen bleibt der Film eines schwedischen Fernsehteams, das über mehrere Tage hinweg das qualvolle und dennoch stilleSterben einer verölten Trottellumme im Helgoländer Hafen drehte, bis es dann endlich zu Ende war. Hier sind bei manchen Zuschauern sogar Tränen geflossen.
Und der Erfolg? Er wurde allmählich sichtbar. Der Nordsee geht es heutebesser als vor 30 Jahren, keine Frage. Aber ist damit alles getan?
Der öffentliche Druck auf Verursacher und die politischen Entscheidungsträger muss aufrechterhalten werden, sonst werden die Erfolge wieder verspielt. Nehmen wir das Beispiel Meeresmüll: dieses Problem ist so aktuell wie vor 30 Jahren. Hier hat sich die Situation – global betrachtet – sogar dramatisch verschlimmert. Plastikmüllstrudel von kontinentalen Ausmaßen driften für Jahrhunderte in den Ozeanen, Geisternetze bringen Seevögel, Wale, Schildkröten und Fische um. Ebenfalls noch jahrhundertelang.
Gefährlich ist dieser Plastikmüll übrigens auch für uns Menschen, wie wir inzwischen wissen. Sehr, sehr langsam werden die Kohlenwasserstoffketten dann doch zerkleinert und abgebaut zu sogenannten Mikroplastik-Partikeln. Diese reichern sich nochim Meer mit persistenten Pestizidrückständen an, gehen in die marine Nahrungskette ein, landen bei uns auf dem Teller und kreisen anschließend in der menschlichen Blutbahn mit völlig unbekannten Folgen. Hier ist Aufklärung nach wie vor unabdingbar.
In vielen Diskussionen – gerade auch zur Belastung der Nordsee mit Abfällen und Giftstoffen –standenoft wirtschaftliche Argumente im Vordergrund. Die Umweltschützer würden es ja immer sehr einseitig sehen. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Frage des Kapitäns eines Ölbekämpfungsschiffesnach tagelangem Einsatz, wie lange er denn weitermachen solle. Der Einsatz koste schließlich enormes Geld. Vauk: „Am besten, bis kein Öl mehr da ist. Ein 5-Markstück-großer Fleck im Gefieder reicht aus, um einen Vogel umzubringen.“ Materielle Gesichtspunkte zählten bei Gottfried Vauk nie.
Prof. Dr. Klaus Töpfer als Bundesumweltminister a. D. und Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen wies schon vor Jahren auf die herausragende Bedeutung dieser oft belächelten Mahner und Warner hin. Diese spöttische Überheblichkeit beschrieb er so: „Dieses Lächeln war geprägt von einer Zeit, in der als gemeinsamer Nenner nur Mark und Pfennig, nur der materielle Wert akzeptiert wurde.“
Ist das heute anders? Wohl kaum. Und Klaus Töpfer würdigte auch die Pionierleistung von Gottfried Vauk:
„Aber gerade diese Pioniere ….. werden zur gegenwärtigen Zeit wieder gebraucht. Denn wieder besteht die Gefahr, dass es nur darum geht, wirtschaftliches Wachstum zu stimulieren, auf welche Kosten der Natur auch immer.“
Das Zitat stammt aus dem Jahr 2005. Und auch diese Aussage gilt nach wie vor.Und Töpfer weiter:„ Es ist also gute Zeit, sich an Prof. Dr. Gottfried Vauk zu erinnern.“
Mit der Verleihung des „Silbernen Austernfischers“ möchte der Verein Jordsand an diese Haltung und an ihre beherzte Vertretung nach außen erinnern, auch Widerständen gegenüber. Eine Haltung, die für beide charakteristisch ist, für Erika und für Gottfried Vauk. Und wir nehmen diese Einstellung – auch das bestätige ich hier gerne - als Auftrag, in diesem Sinne weiterzuarbeiten für den Erhalt unserer Seevogelwelt, für die Natur und für unsereeigenen Lebensgrundlagen.
Dr. Eckart Schrey
1. Vorsitzender